Liebe Freunde,
immer wieder mal werde ich - nicht nur von der Presse - mit manchmal
süffisantem Lächeln gefragt, ob ich mich nicht doch lieber auf meine
schönen leisen Lieder besinnen wolle, auf die zärtlichen Liebeslieder,
auf die besinnliche Lyrik, und ob ich nicht schon zu alt wäre für mein
penetrantes politisches "Einmischungssyndrom".
Oh ja, das würde ich
gerne, antworte ich dann meistens, und vielleicht würde ich auch gerne
in Rente gehen und es gäbe schon manchmal Tage, da sehnte ich mich nach
einem beschaulichen Lebensabend in den Bergen oder in der Toscana,
eingebettet in die Schönheit der Natur, aufgehoben im Zauberklang des
Welteninnenraums.
Aber es geht leider nicht.
Manche meinen, ich
solle mich doch damit begnügen, dass es uns hier in Deutschland noch so
gut gehe, im Vergleich zu anderen europäischen Ländern.
Aber genau dieser Vergleich schreckt mich auf, lässt mich so hellhörig werden.
Auch wenn mir immer wieder eine Ideologie unterstellt wird - mir geht
es nicht um eine neue Ideologie, die ich meinen Mitmenschen überstülpen
möchte. Ich habe schlicht Angst um die demokratischen Grundrechte und
sozialen Errungenschaften, die wir uns in vielen Jahrzehnten erarbeiten
und bewahren konnten. Demokratie muss lebendig bleiben, sonst erstarrt
sie zur Worthülse, und zur Zeit scheint es, als würde unsere Demokratie
seit einigen Jahren gezielt verkauft. Verkauft an gewissenlose Konzerne
und eine superreiche Elite, der es ausschließlich um die Bewahrung des
Besitzstandes und Vermehrung ihrer Geldanlagen geht. Und dabei nehmen
sie in Kauf, dass, je ärmer die Bürger werden, diese sich umso
vehementer nach nationalistischen und rechtspopulistischen Heilsbringern
sehnen.
Von Louis Brandels, dem berühmtesten und kritischsten
Richter in der Geschichte des US-amerikanischen Surprime Court, stammt
die Aussage:
"Wir müssen wählen. Wir können eine Demokratie haben,
oder wir können eine Konzentration von Reichtümern in den Händen
einiger weniger haben, aber wir können NICHT BEIDES HABEN."
Mein
verehrter Freund Mikis Theodorakis, dieser unbeugsame geniale Musiker,
1925 geboren, also durchaus ein paar Jährchen älter als ich, schrieb
2011, zusammen mit Manolis Glezos,(*1922), der schon gegen die Nazis in
den Vierzigerjahren Widerstand leistete, folgenden Text:
"Eine
Handvoll internationaler Banken, Ratingagenturen, Investmentfonds - eine
globale Konzentration des Finanzkapitals ohne historischen Vergleich -
möchte in Europa und der Welt die Macht an sich reißen. Sie bereitet
sich auf eine Beseitigung der Staaten und unserer Demokratie vor, indem
sie die Waffe der Schulden nutzt, um die Völker Europas zu versklaven,
und anstelle der unvollständigen Demokratie, in der wir leben, eine
Diktatur des Geldes und der Banken zu errichten."
Das sind die
Gründe, warum ich mein oft gescholtenes "Einmischungssyndrom" nicht
einstellen kann. Die Vorstellung, eines zukünftigen Tages entscheidet
ausschließlich eine Wirtschaftselite was rechtens sei, was die
Wirklichkeit sei, was Schönheit sei und Kunst, Kultur und Geist, diese
Vorstellung macht mir Angst und sie macht mich wütend.
Der Journalist Jürgen Roth nennt das, was uns seit einigen Jahren geschieht einen "stillen Putsch".
Ich habe sein gleichnamiges Buch, das bei Heyne erschienen ist, noch
nicht zu Ende gelesen und will mir deshalb noch kein abschließendes
Urteil erlauben. Aber so viel sei jetzt schon gesagt - es hat mich auf
den ersten 50 Seiten schon sehr gefesselt.
Ich werde mich sicher weiter mit großer Freude den leisen und zärtlichen Liedern widmen.
Aber ganz bestimmt auch weiterhin die wütenden und lauten nicht vergessen.
P.S:
Rund ein Prozent Superreiche – mit einem Vermögen von mehr als einer
Million Dollar - vereinen rund 40 Prozent des gesamten Vermögens auf
sich. (ZEIT online, 27. Januar 2014)